Bild: Regula Jantos

Andacht im Alltag

Ein Experiment

Am Anfang stand eine Frage: Wie kann etwas vom Andacht-Freizeitfeeling in den Alltag integriert werden?

Dieser Frage sind wir mit einem Team von 10 Leuten nachgegangen und haben experimentiert: in einem bunten Mix von analogen und digitalen Treffen sowie einer Verbindung durch eine Messenger-Gruppe haben wir 9 Tools entwickelt und ausprobiert.

Diese Tools werden im Folgenden kurz vorgestellt und ausgewertet. Sie sind als Inspiration gedacht und dürfen gerne in anderen Kontexten ausprobiert und weiterentwickelt werden! Wer als Vorlage das verwendete Material bekommen möchte, kann sich gerne melden.

Für die Auswertung gab es eine kurze Umfrage im Team, deren Ergebnisse hier einfließen.

P.S. Dieses Projekt habe ich im Rahmen eines Studiums durchgeführt - entsprechend gibt es auch eine etwas ausführlichere Reflexion/Auswertung, die Interessierte rechts in der Toolbox herunterladen können.

Die Tools im Überblick:

DIE GEMEINSCHAFTSPHASE

Zum ersten Treffen hat jede:r einen Bibelvers mitgebracht, der ihm oder ihr etwas bedeutet (z. B. Konfirmationsspruch, Taufspruch). Im Rahmen einer Abendandacht hat dann jede:r reihum den eigenen Vers vorgestellt und kurz erklärt, welche persönliche Bedeutung dieser Vers jeweils hat.

RAHMEN

Zeitraum: Ein Abend, 18:00 Uhr bis 20:00 Uhr

Partizipation: Reihum hat jede:r seinen Bibelvers vorgestellt.

KURZE AUSWERTUNG

Durchschnittsnote:1,67

Empfehlungsrate: 83,3%

Persönliche Einordnung: Als Einstieg in das Projekt war dieses Tool m. E. gut geeignet, weil jede:r beteiligt wird, dies jedoch nicht spontan tun muss, sondern sich darauf vorbereiten kann. Der Bibelvers vermittelt einerseits Sicherheit, weil er relativ kommentarlos genannt werden kann („Das ist halt mein Konfi-Spruch“), andererseits kann er auch als Sprungbrett für tiefere Einblicke in die eigene Glaubensbiografie genutzt werden.

DIE ONLINE-PHASE

Jeden Abend um 22:00 Uhr wird das Abendgebet in die Gruppe gepostet, das auch im Rahmen der täglichen Abendandachten auf unseren Freizeiten verwendet wird. Zwischen den einzelnen Teilen wird etwas Zeit gelassen, um Raum für eigene Gedanken und Empfindungen zu lassen. Am Ende hat jede*r die Möglichkeit, mit „Amen“ deutlich zu machen, dass sie*er mitgebetet hat. Das Posting übernimmt an jedem Abend jemand anders.

RAHMEN

Zeitraum: Ca. 2 Wochen

Partizipation: Reihum beteiligen sich verschiedene Jugendliche und übernehmen für einen Abend das Posten des Abendgebets.

Sonstiges: Auf dieses „Tool“ haben wir uns bei unserem ersten Treffen verständigt.

KURZE AUSWERTUNG

Durchschnittsnote: 1,75

Empfehlungsrate: 87,5%

Sonstiges Feedback: Zwiespältige Rückmeldungen: Das Ritual war einerseits hilfreich, andererseits wurde der feste Termin auch häufig verpasst und das Gebet so nicht wahrgenommen.

Persönliche Einordnung: Dieses Tool schafft die Verbindung von den meist positiven Erfahrungen der Abendandachten auf den Freizeiten mit dem Projekt, weil das Abendgebet Teil derselben ist. Außerdem hat hier bereits jede*r eine niederschwellige Möglichkeit, sich aktiv zu beteiligen, indem ein vorher feststehender Text zu einem bestimmten Zeitpunkt in die Gruppe gestellt werden soll. So sinkt die Hemmschwelle, sich auch später aktiv in das Projekt einzubringen.

(Das Tool wurde von Klaas Grensemann entwickelt.)

 

DIE GEMEINSCHAFTSPHASE

Jede:r bekommt einen Zettel, auf dem 80 mögliche Gottesnamen abgedruckt sind (siehe Anhang) und kreist zunächst die zehn Namen ein, die für sie:ihn in diesem Moment am besten passen. Von diesen zehn Namen werden fünf herausgesucht und auf eine Moderationskarte geschrieben. Die Teilnehmenden tun sich nun immer zu zweit zusammen und lesen dem:der Partner:in dessen:deren fünf Namen laut vor und tauschen sich anschließend darüber aus, was sie persönlich angesprochen hat oder was sie mit den jeweiligen Namen verbinden. Als letzten Schritt wählen sich alle Teilnehmenden den Namen aus, der sie an diesem Tag am meisten anspricht und schreiben ihn groß auf die leere Rückseite ihres Zettels. Die Gruppe kommt wieder zusammen und reihum lesen alle ihren Namen laut vor. Es folgt ein kurzer Austausch über die gemachten Entdeckungen.

DIE ONLINE-PHASE

In der Online-Phase sollten alle Teilnehmenden, mich eingeschlossen, jeden Abend kurz darüber nachdenken, welchen Namen sie Gott an diesem Tag geben würden und diesen kommentarlos in die Messenger-Gruppe schreiben.

BEISPIEL

Das Bild zeigt die verwendeten Namen als Wortwolke (häufiger verwendete Namen sind größer dargestellt)

RAHMEN

Zeitraum: Ca. 10 Tage

Partizipation: Die Gemeinschaftsphase hat bewusst viele dialogische Elemente integriert und die Online-Phase war insofern partizipativ, als alle Namen gleichwertig nebeneinander stehen blieben.

KURZE AUSWERTUNG

Durchschnittsnote: 2,0

Empfehlungsrate: 75%

Sonstiges Feedback: Aufgabe teilweise bereits bekannt, allerdings war die Auswahl überraschend und spannend. Zeit am Abend hilfreich.

Persönliche Einordnung: Ein unkompliziertes und niederschwelliges Tool, bei dem ein analoger Einstieg und eine digitale Fortführung gut verbunden werden können.

DIE ONLINE-PHASE

Die Idee ist sehr simpel: es gibt jeden Tag eine Kurzandacht, die in die Gruppe gestellt wird. Jeden Tag ist jemand anders zuständig und teilt seine Gedanken mit der Gruppe. Die Andachten waren sehr verschieden, je nach Persönlichkeit der*des Zuständigen.

RAHMEN

Zeitraum: Ca. 1 Woche

Partizipation: Die Andachten wurden von Teilnehmenden gestaltet.

Sonstiges: Bei diesem Tool gab es keine Gemeinschaftsphase als Auftakt, sodass es direkt mit der Online-Phase begann.

KURZE AUSWERTUNG

Durchschnittsnote: 2,0

Empfehlungsrate: 87,5%

Sonstiges Feedback: Teilweise gab es Terminprobleme, jedoch wurde es als positiv empfunden, dass es Andachten von verschiedenen Menschen gab.

Persönliche Einordnung: Gut geeignet, um die Teilnehmenden zu aktivieren und dazu zu ermutigen, ihre Gedanken zu teilen. So wird deutlich, dass jede*r mit seinem*ihren Glauben einen Platz hat – bei Gott und in der Gruppe.

DIE GEMEINSCHAFTSPHASE

Im Zentrum stand ein gemeinsames Essen. Davor haben wir ein Tischgebet gesprochen – wie wir das vor Mahlzeiten im Rahmen der Jugendarbeit stets tun (oder es singen). Beim Essen haben wir uns über Tischgebete und ihre Bedeutung ausgetauscht und das konkrete Vorgehen verabredet.

DIE ONLINE-PHASE

Jeden Tag wurde ein Tischgebet gepostet – als Inspiration und als Erinnerung an die Aufgabe, im Zeitraum dieses Tools vor jeder Mahlzeit ein Tischgebet zu sprechen – unabhängig vom Kontext. Die Form dieses Gebets – laut oder leise, frei oder vorformuliert – war nicht vorgegeben.

RAHMEN

Zeitraum: Ca. 1 Woche

Partizipation: Kaum Partizipation, keiner der Teilnehmenden wollte sich aktiv beteiligen.

Sonstiges: Vorzeitiger Abbruch aufgrund der Rückmeldungen – es fiel ihnen sehr schwer, im Alltag an diese Aufgabe zu denken, in der Regel haben sie das Tischgebet vergessen.

KURZE AUSWERTUNG

Durchschnittsnote: 3,5

 

Empfehlungsrate: 62,5%

 

Sonstiges Feedback: Schwierig war vor allem, an das Beten zu denken. Dankbarkeit und gemeinsames Beten wurden aber positiv gesehen (trotz der relativ schlechten Benotung).

Persönliche Einordnung: Dieses Tool hat die zweitschlechteste Note bekommen – hier wäre zu überlegen, ob der Ansatz insgesamt für Jugendliche unpassend ist oder ob die Form schlecht gewählt war. Gerade die Verbindung zu Freizeiten, bei denen fast immer vor Mahlzeiten gebetet wird, spricht für eine Weiterentwicklung des Tools.

DIE ONLINE-PHASE

Es gibt jeden Tag einen Bibelvers als „Motto des Tages“, verbunden mit einer kleinen Aufgabe, die im Laufe des Tages erfüllt werden kann/soll.

RAHMEN

Zeitraum: Ca. 1 Woche

Partizipation: Auch weil dieses Tool sehr kurzfristig begonnen hat, kamen die Impulse und Aufgaben alle von mir. Jedoch waren die Teilnehmenden bei manchen Aufgaben dazu aufgerufen, in der Messengergruppe aktiv zu werden und haben dies teilweise auch getan.

Sonstiges: Weil dieses Tool die Tischgebete vorzeitig abgelöst hat, gab es keine Gemeinschaftsphase, der Start war also digital.

KURZE AUSWERTUNG

Durchschnittsnote: 2,6

Empfehlungsrate: 57,1%

Sonstiges Feedback: Einige fanden gerade die Aufgaben spannend und haben teilweise schon auf die nächste gewartet, andere haben wenig daran teilgenommen, teilweise auch stressbedingt.

Persönliche Einordnung: Die relativ schlechte Benotung und die geringe Empfehlungsrate überraschen mich – in anderen Kontexten haben solche Ansätze Jugendlichen Spaß gemacht und einige haben dies auch hier geäußert. Hier wäre zu klären, ob die Grundidee nicht verfängt oder ob die Aufgaben unpassend waren.

DIE GEMEINSCHAFTSPHASE

Den Auftakt machte eine Andacht mit Bezug zu einem Lied im Rahmen eines gemeinsamen Treffens.

DIE ONLINE-PHASE

In der Online-Phase haben vor allem Teilnehmer:innen Lieder und ihre Gedanken dazu in die Gruppe gepostet. Für jeden Tag war eine Person eingeteilt, einmal wurde es vergessen. Die Beiträge waren sehr verschieden, auch verschieden lang. Manche haben nur einen kurzen Gedanken geteilt, andere sehr viel mehr geschrieben und teilweise auch Fragen in die Runde gestellt, die mal mehr mal weniger intensiv diskutiert wurden.

RAHMEN

Zeitraum: Ca. 2 Wochen

Partizipation: Bei diesem Tool haben sich die Teilnehmenden stark beteiligt, ich selbst habe nur einen Impuls beigetragen. Versuche der digitalen Interaktion gab es, auch von Seiten der Teilnehmenden, das ging allerdings nie über ein oder zwei Antworten hinaus.

Sonstiges: Während dieses Tools kamen die starken Einschränkungen aufgrund der CoVid19-Pandemie, u. a. das Versammlungsverbot. Es ist also das letzte Tool, das unter mehr oder weniger „normalen“ Bedingungen begonnen hat.

KURZE AUSWERTUNG

Durchschnittsnote: 1,0

Empfehlungsrate: 100%

Persönliche Einordnung: Die Bewertung der Teilnehmenden spricht für sich – Musik ist eben ein wichtiger Teil der Lebenswelt von Jugendlichen und sollte deshalb auch im Bereich der Spiritualität berücksichtigt werden. Eine Verbindung mit einem Lobpreisabend o. ä. wäre eine sinnvolle Ergänzung.

GEMEINSCHAFTSPHASE

Die Gemeinschaftsphase fand wegen der CoVid19-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen per Videokonferenz statt. Im Vorfeld hat jede:r einen kleinen Brief bekommen, in dem neben einem kurzen Anschreiben mit „Anleitung“ ein Kärtchen mit „Rubbelfeld“ (zu finden bei ruach.jetzt) und der Satz eines Segens (mit Nummer) zu finden war. Wir haben dann per Konferenz miteinander Andacht gefeiert, in deren Rahmen jede:r das eigene Kärtchen „freigerubbelt“ hat. Darunter war ein Kompliment zu finden, das zunächst jede:r auf sich wirken ließ und dann laut vorgelesen hat. Dieses Kompliment als Kompliment von Gott an jede:n persönlich zu sehen, war die erste Herausforderung. Eine kurze Gebetszeit und der Segen, zu dem jede:r den Satz beitrug, den er:sie per Post erhalten hatte, rundete das Treffen ab.

ONLINE-PHASE

In der Online-Phase gab es etwa jeden zweiten Tag einen Impuls oder eine Aufgabe rund um das eigene Kompliment.

RAHMEN

Zeitraum: Ca. 1 Woche

Partizipation: Die Impulse und Aufgaben kamen zwar von mir, jedoch waren viele Aufgaben darauf ausgerichtet, dass sich möglichst viele in der Gruppe beteiligen.

Sonstiges: Bei diesem Tool kam ein älterer Jugendlicher dazu, der auch als Teamer im Kirchenkreis sehr aktiv ist, jedoch vorher kein Interesse am Projekt gezeigt hatte, und hat sich im Folgenden sehr aktiv eingebracht und mehrfach zurückgemeldet, wie gut ihm dieses Projekt tut.

KURZE AUSWERTUNG

Durchschnittsnote: 2,0

Empfehlungsrate: 75%

Sonstiges Feedback: Viel Freude darüber, ein Kompliment zu erhalten, allerdings sind die folgenden Aufgaben teilweise schwer gefallen.

Persönliche Einordnung: Das „Rubbellos“ ist ein spielerischer Einstieg in das Thema Selbstwert, auch die Impulse zum Thema sind insgesamt gelungen. Die „Online-Andacht“ zum Start dieses Tools war jedoch zu sehr an analogen Andachtsformen orientiert, hier wäre eine andere Form, die mit den Chancen und Grenzen des Digitalen spielt, vorzuziehen.

GEMEINSCHAFTSPHASE

Im Rahmen einer Videokonferenz haben wir uns getroffen, eine Andacht gefeiert und uns in diesem Rahmen Gedanken gemacht zu Jeremia 29,11: „Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr. Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.“

Alle haben einen Gedanken aufgeschrieben, der ihm:ihr Hoffnung für die Zukunft macht und eine Person aus der Gruppe zugelost bekommen, der sie einen Brief mit der eigenen Zukunftshoffnung zuschicken sollten. Weil einige aus der Gruppe bei diesem Termin nicht dabei sein konnten, habe ich diese Aufgabe auch noch in die Messengergruppe gestellt und alle konnten (und wollten) bei dieser Aktion mitmachen. Nach einigen Tagen folgte dann der Impuls per Messenger, sich miteinander über die versendeten Gedanken auszutauschen, was einige auch getan haben.

ONLINE-PHASE

In der Online-Phase gab es u. a. zu den verschiedenen Schlüsselworten des Verses alle 2-5 Tage einen Impuls oder eine kleine Aufgabe. Die Schlüsselworte waren: Gedanken, Frieden, Leid, Zukunft und Hoffnung.

RAHMEN

Zeitraum: Ca. 1 Monat (deutlich zu lang!)

Partizipation: Auch hier kamen die Impulse von mir, jedoch gab es auch hier wieder verschiedene Möglichkeiten für die Teilnehmenden, sich aktiv zu beteiligen – in diesem Fall nicht nur digital, sondern an einer Stelle auch sehr bewusst auf analogem Wege, nämlich per Post.

KURZE AUSWERTUNG

Durchschnittsnote: 3,6

Empfehlungsrate: 50%

Sonstiges Feedback: Die Briefaktion kam bei einigen gut an, anderen fiel genau das schwer. Manche haben keinen Bezug mehr zu diesem Tool gefunden.

Persönliche Einordnung: Zum Ende hin war auf allen Seiten eine gewisse „Corona-Müdigkeit“ zu spüren, was das Digitale angeht. Die einzelnen Impulse und Aufgaben können in einem „normalen“ Kontext jedoch durchaus funktionieren. Der „Hoffnungs­brief“, den die Teilnehmenden einander schicken konnten, fördert die Interaktion untereinander, die Inhalte sollten jedoch an anderer Stelle noch einmal aufgenommen werden.

Ansprechpartner:in

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Markus Steuer

Landesjugendwart
Diakon