Bild: Iris Feigel

Fachtag Peergewalt 17.09.2025

Fachtag Peergewalt - Umgang mit sexualisierter Gewalt unter Kindern und Jugendlichen

Mit der Entwicklung im Kindes- und Jugendalter gehen viele Unsicherheiten im Umgang miteinander einher. Besonders in der Jugendphase gehören das Erkunden, Austesten und Ausloten von Grenzen dazu. Manche sind dabei vorsichtiger, andere agieren forsch. Dies kann zu Grenzverletzungen führen – sei es durch Annäherungsversuche, Missverständnisse oder übergriffiges Verhalten.
Peergewalt spielt im Leben von Kindern und Jugendlichen eine bedeutende Rolle. Oft schenken wir diesem Thema jedoch nicht genügend Aufmerksamkeit – auch in vielen Schutzkonzepten wurde Peergewalt bislang nicht ausreichend berücksichtigt.
Dieser Fachtag soll einen Auftakt bieten, um das Thema stärker in den Fokus zu rücken. Gemeinsam wollen wir erarbeiten, wie wir Peergewalt besser wahrnehmen, Kinder und Jugendliche in ihrer Fähigkeit zur Grenzsetzung unterstützen, wie sie sich gegenseitig stärken können und wie wir mit übergriffigem Verhalten konsequent umgehen.

Termin: 17.09.2025

Tagungsort: DRK-Seminar- und Tagungszentrum, Buchholzer Straße 76, 30629 Hannover 

Preis: 40 Euro (ggf. über Anstellungsträger bezahlt)

Adressat*innen: Eingeladen sind Hauptamtliche, die in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen tätig sind: Diakon*innen, Pastor*innen, Pädagoge*innen, Sozialarbeiter*innen, Multiplikator*innen zur Prävention Sexualisierter Gewalt und Sonstige

Programm

09:30 Uhr Ankommen

10:00 Uhr Gemeinsamer Start

10:30 Uhr Vortrag I: Sexualisierte Peergewalt und die Rolle Dritter: Dynamiken, Risiken und Prävention im Jugendalterm

12:00 Uhr Austauschforum: Peergewalt in unserer Kinder- und Jugendarbeit begegnen

13:00 Uhr Mittag

14:00 Uhr Workshops

16:00 Uhr Vortrag II: Peergewalt und Schutzkonzepte

17:00 Uhr Abschluss: Wie geht es weiter?

17:30 Ende

Vorträge

Der Vortrag gibt einen Überblick über das Phänomen der sexualisierten Peergewalt und stellt aktuelle Prävalenzzahlen sowie zentrale Befunde vor. Des Weiteren werden auf der Basis des BMBF-geförderten Verbundprojekts "CHAT – Checken, Abklären und Entscheiden, Tun" Einblicke und neue Erkenntnisse zu sexualisierter Gewalt unter Jugendlichen präsentiert, wobei der Fokus auf der Bystander:innenperspektive liegt. Vorgestellt werden unter anderem die Hürden für ein effektives Eingreifen von Bystander:innen sowie die Bedeutung von Gruppennormen und kollektiven Deutungen, wie  zum Beispiel kontextspezifischen Relativierungsprozessen in Peergruppen. Der Vortrag schließt mit der Diskussion der erforderlichen Ansätze in der Präventionsarbeit, um Jugendliche besser zu unterstützen und ihre Handlungskompetenzen zu stärken.

Dr. Rebecca Gulowski, Referentin am Deutschen Jugendinstitut und für Friedens- und Konfliktforschung der Universität Augsburg (verantwortlich für den Forschungsschwerpunkt und die Lehre zu sexualisierter Gewalt)

Ein zentraler Baustein für den Schutz vor jeglicher Gewalt in der Kinder- und Jugendarbeit sind die institutionellen Schutzkonzepte.
Gerade in der Arbeit mit Jugendlichen ist es wichtig, Freiräume zu schaffen, in denen sie sich möglichst selbstbestimmt und ohne permanente Aufsicht durch Erwachsene bewegen können. Ziel ist es, dass junge Menschen lernen, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Gleichzeitig zeigen Studien eine hohe Prävalenz von Gewalt unter Gleichaltrigen – sogenannte Peergewalt. Viele Jugendliche fühlen sich in solchen Situationen allein gelassen und wünschen sich stärkere Unterstützung durch Erwachsene.
Was bedeutet das für unsere Verantwortung? Wie können wir Jugendliche besser schützen? Welche Rolle spielen institutionelle Schutzkonzepte in diesem Spannungsfeld? Der Vortrag geht diesen Fragen nach, gibt Impulse für die pädagogische Praxis und lädt dazu ein, gemeinsam Perspektiven für einen Schutz junger Menschen zu entwickeln.
Yasmina Reimann, Mitarbeiterin bei sichtbar. Fachzentrum gegen sexualisierte Gewalt e.V. im Bereich Prävention und Fachkräfteberatung.

Yasmina Reimann, Mitarbeiterin bei sichtbar. Fachzentrum gegen sexualisierte Gewalt e.V. im Bereich Prävention und Fachkräfteberatung.

Workshops

Am Nachmittag werden fünf Workshops angeboten.

Bei Maßnahmen zur Prävention von sexualisierten Grenzverletzungen, Übergriffen und Gewalt unter Jugendlichen ist es sinnvoll, die Perspektive von Dritten einzubeziehen, die vor, während oder nach dem Geschehen beteiligt sind. Diese sogenannten Bystander:innen können schützend eingreifen und bei der Bewältigung des Erlebten unterstützen, aber auch Grenzverletzungen, Übergriffe und Gewalt ermöglichen und negative Folgen verstärken. Ziel sollte daher die altersgemäße Befähigung Jugendlicher sein, Peer-Interaktionen so zu gestalten, dass sexualisierten Grenzverletzungen, Übergriffen und Gewalt im digitalen und analogen Umfeld präventiv und reaktiv begegnet werden kann. In diesem Workshop möchten wir den Teilnehmenden Ansatzpunkte für die Präventionsarbeit mit Jugendlichen aufzeigen. Der Workshop knüpft direkt an den Eröffnungsvortrag an und stellt empirisch entwickelte Materialien für Fortbildungen und Workshops mit Jugendlichen des BMBF geförderten ‚CHAT-Verbunds‘ vor. In kurzen praktischen Übungseinheiten sollen diese dann gemeinsam erprobt und diskutiert werden.


Dr. Rebecca Gulowski, Referentin am Deutschen Jugendinstitut und für Friedens- und Konfliktforschung der Universität Augsburg (verantwortlich für den Forschungsschwerpunkt und die Lehre zu sexualisierter Gewalt)
Luise Dinger M.A. Referentin beim Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) mit dem Schwerpunkt Forschung zu sexualisierter Gewalt und u.a. Lehrbeauftrage für Soziale Arbeit an der Katholischen Hochschule Münster.

In der pro familia Beratungsstelle in Hannover finden wöchentlich bis zu drei Veranstaltungen im Rahmen der sexuellen Bildung statt, die von Schulklassen vom 4. Jahrgang bis zur Berufsschulklasse besucht werden. Dabei geht es rund um die Themen Liebe, Beziehung und Sexualität. Mit diesen Themen werden zwangsläufig auch Fragen von Grenzen, Konsens und (sexualisierter) Gewalt verhandelt.

Im Workshop gibt das Team von pro familia  Einblicke in die sexualpädagogische Arbeit, indem exemplarisch Methoden vorgestellt und der Zusammenhang zu möglicher oder vermeintlicher Gewalt und Gewaltprävention hergestellt werden.

Gesa Bochen und Alexandros Pavlidis-Nasogga, pro familia Beratungsstelle Hannover,

Digitale und soziale Medien sind aus dem Alltag junger Menschen nicht wegzudenken – sie bieten u.a. Austausch, Unterhaltung, Zugehörigkeit und Selbstdarstellung. Gleichzeitig bergen sie Risiken, die für Jugendliche oft schwer einzuschätzen sind: Ein erstes Treffen mit einer unbekannten Online-Bekanntschaft, ein freizügiges Selfie im Freundeskreis oder das ungefragte Zusenden pornografischer Inhalte sind nur einige Beispiele für Situationen, in denen Grenzen überschritten werden können.
Der Workshop hat das Ziel, ein vertieftes Verständnis für die digitale Lebenswelt junger Menschen zu vermitteln und pädagogische Fachkräfte darin zu stärken, als kompetente Ansprechpersonen zur Seite zu stehen. Neben praxisnahem Wissen zum Umgang mit sexualisierter Gewalt im Netz werden auch rechtliche Grundlagen thematisiert.

Yasmina Reimann, Mitarbeiterin bei sichtbar. Fachzentrum gegen sexualisierte Gewalt e.V. im Bereich Prävention und Fachkräfteberatung.

Wenn Jugendliche, die sich in Betreuung befinden, sexualisierte Gewalt gegenüber Gleichaltrigen ausüben, sind professionelle Einschätzungen und klare Handlungsstrategien erforderlich. Der Workshop beschäftigt sich mit unterschiedlichen Erscheinungsformen sexualisierter Peergewalt und bietet einen Rahmen zur Auseinandersetzung mit konkreten Fragen aus der Praxis: Wie kann ein angemessener Umgang mit solchen Vorfällen aussehen? Welche Sofortmaßnahmen sind zu ergreifen? Wann ist die Hinzuziehung spezialisierter Fachstellen notwendig und wer muss in welchem Umfang informiert werden?
Zudem werden Möglichkeiten langfristiger Interventionen thematisiert, die sowohl den Schutz potenzieller Betroffener als auch die pädagogische Arbeit mit den grenzverletzenden Jugendlichen in den Blick nehmen. Ziel ist es, Handlungssicherheit im Umgang mit sexualisiert grenzverletzendem Verhalten zu stärken und bestehende Unterstützungsstrukturen nutzbar zu machen.

Malte Kricheldorff, Diplom Sozialpädagoge, Fachkraft für deliktspezifische Beratung, Systemischer Familientherapeut, Traumatherapeut

Wenn Jugendliche sich anvertrauen, braucht es Erwachsene, die zuhören, sensibel reagieren und Orientierung bieten können. In diesem Workshop geht es darum, wie Fachkräfte und Ehrenamtliche in der Jugendarbeit als vertrauensvolle Ansprechpersonen wahrgenommen werden – und wie sie Gespräche sicher und unterstützend führen können. Wir beschäftigen uns mit angemessenen Reaktionen auf das Anvertrauen, der eigenen Haltung und den Möglichkeiten zur Weitervermittlung an passende Hilfsangebote – sowohl für Betroffene als auch für die Ehrenamtlichen und Fachkräfte selbst.

Kerstin Kremer, Sozialpädagogin/Sozialarbeiterin (M.A.), Sexual- und Theaterpädagogin, zert. Kinderschutzfachkraft,  Freie Referentin im Themenfeld sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen

Ansprechperson

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Ulrich Schön

Haus kirchlicher Dienste

Referent für Spiritualität / Kindeswohl und Prävention
Diakon